Freitag, 2. September 2011

Sturz von der Hühnerleiter (1858)

"Der Schullehrer war ein großer Hühner- und Bienenzüchter. In diesem Augenblicke war er mit seinen Hühnern beschäftigt.
Zu beiden Seiten der Dehle befanden sich die Stallungen des Hauses. Neber dem Kuhstall lag der Hühnerstall. Man mußte mittelst einer Leiter hinaufsteigen. Auf dieser Leiter stand der Schulmeister. Er war beschäftigt, die Eier, welche die Hühner den Morgen gelegt hatten, zu sammeln. Er stand auf der Leiter in bloßen Hemdsärmeln, in der einen Hand einen großen Korb, in den er mit der andern die Eier sehr sorgfältig hineinlegte. Den Eintretenden hatte er den Rücken zugewandt.
„Guten Morgen, Herr Schullehrer," sagte der Pfarrer.
„Guten Morgen, Herr Pastor. Schöne Eier! Und viele heute Morgen. Ich bin gleich fertig."
„Herr Schullehrer, ich bringe Ihnen hier Se. Exzellenz den Herrn Oberpräsidenten."
Als der Schulmeister den Oberpräsidenten nennen hörte, fuhr ihm der Schreck in die Beine, und so lang wie er war, fiel er rückling die Leiter herunter, und mit ihm fiel sein Korb, und mit seinem Korb fielen seine Eier, und die fallenden Eier spritzten ihren gelben Inhalt in lustiger Bosheit nach allen Seiten umher. Der blaue Kittel des Oberpräsidenten, der graue Schlafrock des Pastors, die weißen Hemdärmel des Schulmeisters, Alles war über und über gelb gefleckt.
Armer Dorfschulmeister!"

Drei Originale. Eine kleine Provinzialgeschichte vom Verfasser der "Neuen deutschen Zeitbilder" (Schluß). In: Der Sammler. Ein Blatt zur Unterhaltung und Belehrung. Beilage zur Augsburger Abendzeitung.  Jg. 27 (1858), Nr. 146 (9. Dez. 1858) (Quelle)

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